Archiv für Searle

Derrida zu Austin

Posted in Philosophie with tags , , , , , , on 23. Mai 2009 by sebastian

Jacques Derrida schreibt in seinem Essay Signatur Ereignis Kontext, dass sich durch einige begriffliche Veränderungen, die seiner Ansicht nach Notwendig sind, das Primat der gesprochenen Sprache vor dem der Schrift auflöst. Derrida schreibt, dass im abendländischen Denken bis zu ihm nur ein Bild geherrscht habe: Es gäbe zuerst die Sprache der Gebärden, die dann komplizierter würde und mit Symbolen arbeitete – die Lautsprache entstand. Die Schrift erweiterte nun das Feld der Kommunikation über die Maße der Lautsprache hinaus. Nun konnte man viel mehr Menschen die viel weiter entfernt waren, eine Kommunikation zukommen lassen. Doch – so Derrida – diese Ansicht setzt einen homogenen Raum der Kommunikation voraus, der für all diese drei Arten der Kommunikation derselbe sei. Hier nehme die Art der Kommunikation keinen Einfluß auf die Ideen die transportiert werden. Das ist laut Derrida falsch, und seine Verabschiedung dieses Bildes hängt mit der Abwendung von der Abbildungswahrheit zusammen. Wenn die Wahrheit etwas ist, was man nur richtig abbilden muss, dann kann man erklären, wieso die Art der Kommunikation nichts am Inhalt ändert. Wenn man aber sagen möchte, dass Denken Sprache und Schrift ist, dann ist der homogene Raum der Kommunikation zerstört. Dadurch löst sich der abgeschlossene Kontextbegriff auf und jedes Geschriebene Zeichen lebt von einer ewigen Iterierbarkeit – ein Neologismus der „Wiederholung“ mit „Andersheit“ verbindet. Es gibt also keine identischen Kontexte. Jedesmal, wenn man zitiert (und das tut man nach Derrida immer), ändert man den Raum von Kommunikation und Bedeutung.
Doch Derrida macht zwei für mich unverständliche Bewegungen:
1) Er argumentiert über den Abwesenheitsbegriff dafür, dass der Schrift der Vorrang vor der gesprochenen Sprache zukomme. Ich kann nicht erkennen, warum dies passiert. Eine mögliche Erklärung wäre, dass der Gedanke, den Derrida ausdrücken möchte – die prinzipielle Unabschließbarkeit jedes Sinnhorizontes, anders gesagt, dass es keine Art zu Sprechen gibt, die eine letztgültige und abgeschlossene Wahrheit darstellt – sich anhand der Schrift leichter zeigen läßt. Es ist leichter, geschriebene Sätze von ihrem Autor zu trennen und zuzusehen, wie andere Menschen diese geschriebenen Sätze je nach ihrem Kontext verwenden – die notwendige Iterierbarkeit jedes Zeichens läßt sich hier vielleicht einfacher zeigen. Vielleicht gibt es für Derrida einen metaphysischen Grund des Primats der Schrift. Ich kann allerdings keinen erkennen und meine, dass eine metaphysische Begründung dem Vorhaben Derridas nur abträglich wäre.
2) Er wirft John L. Austin allerlei unhinterfragte metaphysische Vorraussetzungen vor. Laut Derrida hielt der Versuch der Metaphysiker, den anderen Bereichen des Lebens Vorschreibungen aufgrund ihrer metaphysischen Autorität zu machen, bis zu ihm selbst ununterbrochen an. Ich glaube einfach nicht, dass das stimmt. Derrida hat wohl nicht sehen können, wie sehr diese Idee in Oxford unter Gilbert Ryle zu wackeln begann und wie Quine und eben Austin dies weiterdachten. John Searle brachte gegen Derridas Aufsatz eine berühmte Replik vor, die dann zu dem Buch Limited Inc. von Derrida führte. Meiner Ansicht nach besteht an dieser Stelle ein doppeltes Problem: Viele der Denker, die man unter Dekonstruktivisten oder als die französische Postmoderne zusammensammelt haben wohl immer das Gefühl, die angloamerikanischen Philosophen verfangen sich in metaphysischen Netzen, da sie immer noch versuchten, das letzte, aller erklärende Vokabular – Erkenntnisfundamente – zu finden. Viele angloamerikanische Philosophen haben auf der anderen Seite das Gefühl, dass Derrida ihnen erzähle, was sie schon von Austin und Quine kennen. Deswegen auch die Ansicht Searles, dass Derrida quasi eine seichte und ungenaue Sprachphilosophie betrieb als er Austin diskutierte.

Searle über Derrida

Posted in Philosophie, Zitate with tags , , on 17. April 2009 by sebastian

„With Derrida, you can hardly misread him, because he’s so obscure. Every time you say, „He says so and so,“ he always says, „You misunderstood me.“ But if you try to figure out the correct interpretation, then that’s not so easy. I once said this to Michel Foucault, who was more hostile to Derrida even than I am, and Foucault said that Derrida practiced the method of obscurantisme terroriste (terrorism of obscurantism). We were speaking French. And I said, „What the hell do you mean by that?“ And he said, „He writes so obscurely you can’t tell what he’s saying, that’s the obscurantism part, and then when you criticize him, he can always say, ‚You didn’t understand me; you’re an idiot.‘ That’s the terrorism part.“ And I like that. So I wrote an article about Derrida.“

aus einem Interview mit John Searle, das hier komplett vorliegt.

John Searle zum Thema Freiheit

Posted in Philosophie with tags , , , , , , on 27. Januar 2008 by sebastian
John Searle hat in seiner Vortragsreihe „Freiheit und Neurobiologie“ (herausgegeben von suhrkamp) einige Interessante Gedanken aufgeworfen, aber noch leider nicht ausgebaut. Searle schreibt zu Beginn ganz richtig, dass etwas nicht stimmt, wenn uns in der Philosophie ein Problem unlösbar erscheint, wir aber in der Praxis gar kein Problem damit haben. Genau so sei es mit der Freiheit und dem Bewusstsein. Wieso stellt es uns vor ein philosophisches Problem, ob wir dem Arm wirklich heben können, wenn wir es wollen, wo wir es faktisch doch immer tun? Hier stimmt also etwas mit der philosophischen Theorie nicht. Die Philosophie soll immer noch nach der Realität richten, nicht die Realität der Philosophie angepasst werden.
Searle erklärt in einem ersten Schritt zur Willensfreiheit das alte Körper/Geist Problem als cartesianisches Erbe. Dieses ist Vergangenheit, sobald man Bewusstsein als Prozess verstehe, nicht als Entität. Der sehr gute Vergleich mit einem Rad veranschaulicht diese Position sehr gut: Das Rad besteht aus Molekülen (vgl Neuronen), die dem Rad alle zusammen seine Gestalt geben (vgl Gehirn). Durch die besondere Anordnung der Moleküle hat das Rad eine gewisse Festigkeit (vgl Bewusstsein) und kann daher Rollen. Ein Anderer Vergleich: Das Gehirn ist wie der Ozean, das Bewusstsein wie die Wellen.
Im zweiten Schritt wird beschrieben, dass unser Gefühl der Freiheit von drei „Lücken“ herrührt. Diese befinden sich zwischen Gründen für eine Entscheidung und dem fällen der Entscheidung. Eine andere gefühlte Lücke ist zwischen fällen der Entscheidung und Beginn der Handlung und die dritte ist bei längeren Wirkzusammenhängen zwischen Anfang und Ende der Handlung. Als Menschen können wir unseren Freien Willen deshalb nicht wegdenken, selbst die Leute, die von vollständigem Determinismus überzeugt sind, können nicht anders. Doch wie passt dies mit einer determinierten Welt zusammen?
Searle verweist hier auf neuere Erkenntnisse in der Quantenmechanik. Diese würden zeigen, dass auf kleinster ebene nichts determiniert ist und möglicherweise sei dies der Ort der Freiheit.Nun finde ich das ein wenig schade. Searle spielt hier den „Joker der Quantenmechanik“ aus, der nur zu gerne überstrapaziert wird. Auf der einen Seite ist es ein spannender Ansatz, auf der anderen Seite wird es hier einfach noch zu plump in den Raum gestellt. Besser wäre es gewesen, einen Physiker zur Heisenbergschen Unschärferelation als Grund der Freiheit zu befragen und ob dieser theoretische Ansatz für die Freiheitsdebatte überhaupt urbar gemacht werden kann. Denn dieses gebiet widerspricht so grundlegend jeder Intuition und jeder theoretischen Modellbildung, dass die Anwendbarkeit fraglich erscheint.